Gesellschaft

Sollen wir das Klima kontrollieren?

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Wir Menschen pflegen seit je her eine ungesunde Beziehung zu unserer Umwelt. Wir sind auf die Natur angewiesen und nur als Teil eines komplexen, globalen Ökosystems lebensfähig. 

Aber wir gestalten unsere Umwelt auch in einem Maße, wie wohl noch nie ein anderes Lebewesen zuvor. Wir legen Kanäle an und begradigen Flüsse, holzen Wälder ab, bauen Städte, planieren Landschaften und ziehen Schneisen durch die Natur, um schnell und angenehm von A nach B zu gelangen. Dabei stoßen wir jede Menge Kohlendioxid (Emissionen) in die Atmosphäre aus.

Wir prägen ein Ökosystem voller komplexer Wechselwirkungen im Kleinen wie im Großen, mit unabsehbaren Folgen.

Auch wenn wir noch nicht alles über das Klima wissen, verstehen wir die Zusammenhänge mittlerweile immer besser. So haben wir gelernt, dass unsere Emissionen die Atmosphäre global erwärmen. Damit gefährden wir die Stabilität des Klimas, die überhaupt erst die Grundlage und Voraussetzung unserer Zivilisation bildet. Das zeigt ein Blick in die Klimageschichte.

Die Technospäre

Wir haben unsere Erde in einem gewaltigen Ausmaß umgestaltet.
1 Teratonne entspricht 1 Billion Tonnen. Das ist eine Eins mit zwölf Nullen. (1.000.000.000.000 Tonnen)

Ein Würfel in der Grafik entspricht 0,2 Teratonnen, vereinfacht dargestellt mit der Dichte von Wasser (1 kg / 10 cm³). Ein Würfel hätte eine Kantenlänge von 5,8 Kilometern. Zum Vergleich: Der Mount Everest ist 8,848 km hoch. 

Das Antropozän

Ein stabiles Klima ist die Grundlage der Zivilisation.

In der Geschichte des Klimas gab es nur selten stabile Phasen. Wir befinden uns momentan im Holozän, eine bisher etwa 11.000 Jahre andauernde Warmzeit innerhalb der aktuellen Kaltzeit. Das Holozän zeichnet sich durch seine außergewöhnlich stabile globale Durchschnittstemperatur aus. Bisher konnte noch keine Phase in der Klimageschichte nachgewiesen werden, die so stabil war wie das Holozän.

Mit dem Beginn dieses stabilen Zeitalters fällt die “Neolithische Revolution” zusammen: Der Mensch wurde sesshaft. Der Schluss liegt nah, dass das stabile Klima dafür die Grundlage schaffte. Zuvor war Ackerbau kaum möglich, da starke und häufige Wetterschwankungen vermutlich jeden gezielten Versuch eines Getreideanbaus verhinderten.

Seitdem trat der Mensch seinen Siegeszug an und gestaltete die Erde nach seinen Vorstellungen um. Mittlerweile haben wir einen so großen Einfluss auf das Klima, dass Experten vom Antropozän sprechen, dem Zeitalter, in dem der Mensch die Erde maßgeblich prägt.

Wir haben die Erde drastisch umgestaltet: Im Durchschnitt haben wir über 50 Kilogramm an Material auf jeden Quadratmeter der Erdoberfläche gestellt. Diese Eingriffe nennt man in Summe die Technosphäre. Sie bildet die Grundlage unseres Wohlstands. Mehr dazu

Die größten Veränderungen haben in den letzten 150 Jahren stattgefunden – dank der industriellen Revolution seit der Erfindung der Dampfmaschine.

Mensch und Natur

Verheerende Klimafolgen

Wir haben die Erde zugebaut.

 

Doch es gibt ein Problem: Die Technosphäre ist größtenteils starr und unflexibel. Sie ist durch Wetterphänomene akut bedroht. Das kann zu Wohlstandsverlusten, Unruhen und möglicherweise Kriegen führen, die die Klimaproblematik noch weiter anheizen. Mehr dazu

Solche Szenarien konnten wir bereits beobachten. So mussten in Syrien aufgrund einer langjährigen Dürre und den damit verbundenen Ernteausfällen etwa 1,5 Millionen Menschen vom Land in die Städte fliehen. Dort kam es zu inneren Unruhen, die schließlich zum Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs beigetragen haben. Zuweilen wird der Konflikt daher auch als erster Wasserkrieg bezeichnet. Mehr dazu

Neben Dürren ist auch der Anstieg des Meeresspiegels eine Folge des Klimawandels. Das ist besonders problematisch, da etwa 60 Prozent der Menschheit weniger als 100 Kilometer von der Küste entfernt leben. Wenn der Meeresspiegel steigt, können wir mit guter Koordination die dort lebenden Menschen evakuieren, die verbauten Ressourcen fallen jedoch unweigerlich den Fluten zum Opfer. 

Unabhängig von der Ursache des Klimawandels stellt sich die Frage:

Können wir es uns angesichts unserer Technosphäre leisten, nichts gegen den Klimawandel zu unternehmen?

Mit dem Klimawandel leben

Klimafolgen und Ziele

Ist das noch zu schaffen?

Bestandsaufnahme

Es wird heiß.

Etwa seit 1850 messen wir die Temperatur der Erde. Seitdem wurde das Netz an Messstationen immer weiter ausgebaut, heutzutage verfügen wir über eine Datengrundlage von mehreren zehntausend über den gesamten Globus verteilten Stationen. Mehr dazu.

Das Klima hat sich mittlerweile um etwa ein Grad Celsius im Vergleich zum Vorindustriellen Zeitalter erhöht. Das klingt wenig, ist es aber nicht. Denn die globale Durchschnittstemperatur ist ein Mittelwert – in einigen Regionen ändert sich wenig, manche wurden sogar kälter. In vielen Gegenden hat sich die Temperatur bereits um mehrere Grad erhöht.

1,5°C

Wir haben uns verpflichtet, die Erderwärmung ab der Industrialisierung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Denn sonst könnten wir eine Dynamik in Gang setzen, die sich nicht mehr aufhalten lässt.

Das 1,5°C-ziel

Die Lage kippt.

Wir haben uns 2015 im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, die Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur seit der Industrialisierung bis zum Jahr 2100 unter 1,5 Grad Celsius zu halten. 

Dafür gibt es einige gute Gründe: Die Klimaerwärmung ist nicht nur ein Risiko für den Menschen, auch auf die Natur hat sie einen massiven Einfluss. Viele Ökosysteme sind durch die Erwärmung gefährdet. Manche davon sind besonders brisant, denn sie haben eine kühlende Wirkung oder schützen uns vor Umweltkatastrophen. Wenn sie verloren gehen, beschleunigt sich der Klimawandel oder Katastrophen haben mehr Zerstörungskraft. 

Wir können schon heute beobachten, dass diese Ökosysteme unter der Erwärmung leiden. So kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Waldbränden im Amazonas und in Australien. Das Great Barrier Reef ist zu einem Großteil abgestorben und in Norilsk (Sibirien) kam es aufgrund des tauenden Permafrosts zu einer Ölkatastrophe. Mehr dazu

Diese Ökosysteme sind Kippfaktoren. Wenn sie verloren gehen, beschleunigt sich die Klimaerwärmung bis hin zu dem Punkt, an dem wir sie nicht mehr aufhalten können.

Treibhausgase in der Atmosphäre

Wieso erwärmt sich das Klima?

Wir tragen zur Klimaerwärmung bei.

Mittlerweile ist gut belegt, dass sich die Atmosphäre stärker aufwärmt, je mehr Treibhausgase in der Luft sind. Eines der bedeutendsten ist Kohlendioxid. Bei einer Verdopplung der Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre würde sich das Klima etwa um drei Grad Celsius erhöhen. Mehr dazu

Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Seit der Erfindung der Dampfmaschine ist der Mensch eine der größten Quellen von Kohlenstoff in der Atmosphäre geworden. Das Verbrennen von Kohlenstoff-haltigen Energieträgern setzt unweigerlich Kohlendioxid frei. Wenn wir unsere Ziele einhalten möchten, müssen wir die Menge an Kohlenstoff in der Atmosphäre begrenzen. Das geht am einfachsten, indem wir unseren Ausstoß (Emissionen) reduzieren.

Was wir tun können.

Wir wissen grob, wie viel Kohlenstoff in der Atmosphäre gelöst ist. Und wir wissen, wie stark sich die Atmosphäre ungefähr erwärmt, wenn wir die gelöste Menge erhöhen. Damit können wir errechnen, wie viel die Menschheit insgesamt noch emittieren darf, um das Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erwärmung einzuhalten. Mehr dazu

Momentan sieht man sehr wenig Handlungsbereitschaft in weiten Teilen der globalen politischen Landschaft. Das macht es  unwahrscheinlich, dass rechtzeitig interveniert wird. Was können wir noch tun, sobald wir die Folgen der Klimaerwärmung am eigenen Leib zu spüren bekommen?

Tage
Stunden
Minuten

bleiben uns bei unseren derzeitigen Emissionen, bis wir das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr einhalten können.

Wie soll es weitergehen?

Unsere Optionen

Unsere Optionen

Wenn wir unser Budget aufgebraucht haben, werden wir vermutlich zu überstürzten Interventionsmaßnahmen wie beispielsweise  Strahlungsmanagement mit Aerosolen gezwungen. Auch wenn die Folgen der Maßnahmen nicht absehbar sind. Das kann in einem Fiasko enden. 

Noch haben wir Handlungsspielraum:

Ein Vergleich

Mit dem Klima ist es wie mit einem Heißluftballon.

Je mehr wir einheizen (Kohlenstoff verbrennen), desto höher steigt der Ballon (die globale Temperatur steigt an). Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie wir mit der Lage umgehen können.

Manche sind sinnvoll, andere nicht. Durch ungebremstes Einheizen wird ein immer größerer Kraftakt nötig, um das Klima technisch unter Kontrolle zu bringen. Aus dem Vergleich wird deutlich: Climate Engineering benötigt Emissionskontrolle. 

Ein ergänzender Einsatz von Emissionsreduktion und gezielten Eingriffen ins Klima könnte langfristig Sinn ergeben. Insbesondere vor dem Hintergrund der historischen Klimaschwankungen über das Holozän hinaus.

Konfliktpotential

Klimakonflikte lösen.

Politik und Diplomatie

Wer darf das Klima verändern?

Nicht alle Regionen leiden gleichermaßen unter dem Klimawandel. Möglicherweise profitieren sogar einige Staaten davon. Das stellt uns vor ein Verteilungsproblem.

Die Verursacher des menschengemachten Klimawandels sind selten diejenigen, die am meisten darunter zu leiden haben. Das wird international zu Konflikten führen und Millionen von Klimaflüchtlingen werden sich auf den Weg in weniger betroffene Länder und Ökosysteme machen.

Climate Engineering kann dieses Problem befeuern: Wir könnten zum Beispiel mithilfe von Aerosolen das Klima abkühlen, die meisten Länder profitieren davon. In Monsun-Regionen könnte die Maßnahme jedoch zu Ernteausfällen führen. 

Das Klima funktioniert nur global. Emissionen halten sich nicht an Landesgrenzen. Genauso wenig kann ein einzelner Staat den Klimawandel im Alleingang bekämpfen.

Wir brauchen dringend ein faires System, um die Leidtragenden zu entschädigen und um Emissionen und Gegenmaßnahmen zu regulieren – mit oder ohne Climate Engineering. Das könnte über eine Völkergemeinschaft wie die United Nations funktionieren.

Beteiligte

Politik und Diplomatie

Ein schmaler Grat zwischen Können und Wollen.

Die Entwicklung von Maßnahmen zur Kontrolle des Klimas geschieht nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Forschung ist teuer und muss finanziert werden. Gelder werden nur bewilligt, wenn die Öffentlichkeit  hinter den Maßnahmen steht und die Politik damit Wahlen gewinnen kann.

Grundsätzlich wäre genug Geld vorhanden, wie aktuell bei den Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft deutlich wurde, die infolge der Corona-Pandemie massive Umsatzeinbußen verzeichnete.

Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.

Hans Jonas, 1979

Heutzutage werden immer mehr Stimmen laut, die die wissenschaftlichen Grundlagen der Klimaforschung leugnen. Verschwörungstheorien stehen hoch im Kurs. Diese Entwicklung ist hochgradig problematisch. Denn es ist fraglich, ob vor diesem Hintergrund Climate-Engineering-Maßnahmen öffentlich politisch vertreten und finanziert werden können.

Ob mit oder ohne Climate Engineering – wir müssen uns im Angesicht des Klimawandels die Frage stellen, nach welchen Werten wir leben und in welchem Zustand wir den nachfolgenden Generationen die Welt hinterlassen möchten. Der Philosoph Hans Jonas schrieb im Jahr 1979 das Buch das Prinzip Verantwortung. Die Kernaussage ist heute brisanter denn je:

Umfrage

Sollte der Mensch das Klima bewusst beeinflussen?

Ergebnisse

Technik

Vielleicht sollen oder müssen wir das Klima irgendwann kontrollieren. Aber können wir?

Ob wir das Klima kontrollieren wollen ist eine Frage des gesellschaftlichen Konsens. Wir müssen dafür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen und die nötigen Mittel in die Hand nehmen. Aber selbst wenn wir diesen Konsens erreichen, bleibt die Frage: 

Ist es technisch überhaupt möglich, das Klima zu beeinflussen?